Je länger man sich mit Digitalisierungsthemen befasst, desto mehr Fragen stellen sich
Die Fülle an Informationen, guten und schlechten Beispielen, Chancen und Risiken wirft eine mindestens genauso große Menge an Fragen auf. Einige davon haben wir hier zusammengestellt.
Wer an dieser Stelle gerne auch gleich die passenden Antworten lesen würde, den müssen wir enttäuschen. Einerseits. Andererseits gilt: es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen. Sich selbst, seinen Gremien und auch den Projektpartnern. Dann ist meist schon viel gewonnen. In diesem Kapitel werfen wir deshalb eine Reihe von Fragen auf. Diese sind als Anregung gedacht und werden sicherlich neue Fragen bei den Lesenden auslösen. Das ist unserer Meinung nach tatsächlich der erste Schritt, sich diesem Thema zu nähern: die Fragen für die eigene Organisation und die Projektpartner zu identifizieren, zu sortieren und dann schrittweise zu beantworten bzw. zu bearbeiten.
Hier einige davon – grob sortiert in verschiedenen Kategorien:
Unsere Organisation, unsere Ziele, Prozesse und Arbeitsweisen: wie zukunftsfähig sind wir?
- Welche Rolle werden wir in 5 oder 10 Jahren überhaupt noch spielen?
Müssen wir unsere Ziele und Strategie neu überdenken? - Wie planen wir neue Vorhaben? Sind neu initiierte Projekte überhaupt zukunftsfähig,
wenn man das „digitale“ Umfeld, die Rahmenbedingungen in den Partnerländern nicht kennt? - Wie fängt man mit einer Digital-Strategie an, wenn der Vorstand noch alles ausgedruckt bekommen möchte? Oder wenn eine Abteilung der anderen unterstellt, ungefragt mit den Adressdaten „Bettelbriefe“ zu schreiben?
- Wo liegen die Grenzen der geforderten Transparenz?
Welche Daten sollten Organisationen offenlegen und welche auf keinen Fall? - Wer kann uns unterstützen und wie können wir das bezahlen?
- Wo bekommen wir das nötige Wissen z.B. zu Technologien und realistischen Zukunftsszenarien her?
- Wie starten wir Change-Prozesse in unseren Organisationen? Wie bindet man Kolleg*innen ein, die keinen Zugang zu diesen Themen finden und auch keine Lust darauf haben?
- …
Welche Rolle spielt Digitalisierung in unserer Projektarbeit?
In der Entwicklungsarbeit wissen wir längst, dass man Projekte nicht einfach kopieren kann, sondern dass sie an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst sein müssen: nur das Fehlen wirtschaftlicher Mittel reicht nicht aus, um Armut zu erklären. Und arm ist nicht gleich arm. Diverse Faktoren wie regionaler, religiöser und kultureller Hintergrund, Familien-, Wohn- und Gesundheitssituation, Geschlecht, etc. spielen hinein.
Diesen genauen Blick auf die notwendigen und möglichen Stellschrauben braucht es auch in Hinblick auf die Digitalisierung – in jeder einzelnen (Partner-) Organisation.
- Wer ist ausgeschlossen, weil es in seiner Region keine Netzabdeckung oder keine verlässlichen Stromquellen gibt?
- Wer, weil er sich entsprechende Endgeräte nicht leisten kann?
- Wer, weil ihm die Kenntnisse der Nutzung, also eine „digitale Alphabetisierung“ fehlt?
- Wie verändert sich Kriminalität und Machtmissbrauch vor Ort?
- Wie greift moderne Technik verändernd in tradierte Rollenbilder und Dorfstrukturen ein?
- Wie kann man angesichts all dieser Fragen und eigenen Unsicherheiten überhaupt verantworten, Projekte zu initiieren?
- Wie kann man verantworten, sie nicht zu initiieren?
- Welche Ressourcen oder Start-Ups gibt es im Projektland selbst?
- …
Welche Rolle spielt Digitalisierung in unserer Projektarbeit?
- Sind unsere Materialien nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch auf dem neuesten Stand?
- Was ist mit der Inlands-Bildungsarbeit?
Wie sieht eine gelungene Mischung von analogen und digitalen Materialien aus? - Wie können wir uns Positionen erarbeiten zu Themen, von denen wir (heute) noch nicht genügend Wissen und Verständnis haben?
- …
Welche Chancen und Risiken entstehen mit neuen Kooperationspartner*innen?
Ein spannendes Gespräch mit einer Netz-Aktivistin auf der Konferenz „Bits und Bäume“ offenbarte uns, welch ähnliche Ziele und Ansichten wir beide haben: sie, die Informatikerin; ich (Gisela) die Bildungsreferentin. Beide unter dem Ziel Menschenrechte. Dann kamen wir an den Punkt des „wie“. Da trennten sich unsere Wege und es wurde völlig klar, dass hier eine Grenze überschritten wurde, hinter die wir beide nicht zurückgehen wollten:
Für sie stand fest, sie würde bestimmte Kommunikations-Dienste niemals für ihre Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit nutzen. Wenn nicht sie, wer solle denn dann an dieser Position Stellung beziehen?
Ich wiederum hatte als größtes Ziel die Reichweite und leicht händelbare Kommunikation im Blick. Wenn niemand von meiner Position erfährt, ist mein Job verfehlt.
In Kooperationen mit „anderen Welten“ wird es spannend
- Wie können wir mit den „anderen Welten“ kooperieren, ohne unsere jeweiligen Werte und Ziele aufzugeben? Denn es geht darum, auf Augenhöhe zu bleiben, den Standpunkt des anderen zu akzeptieren, ohne ihn zu teilen. Und darauf aufbauend ein gemeinsames Vorgehen zu finden.
- Wie findet man potenzielle Kooperationspartner*innen?
- Wie könnte ein Wissenstransfer zwischen den Welten stattfinden?
- Warum finden die Welten noch nicht recht zusammen? Anderes Tempo? Andere Ziele?
- …
Die großen Fragen
- Wo sind die Grenzen, wer zieht die Grenzen des Machbaren?
Unternehmen? Staaten? Staatengemeinschaften? Zivilgesellschaft? Neue Bündnisse? - Wie wird unser zukünftiges Geld aussehen? Welche Rolle wird Bargeld überhaupt noch spielen? Welchen Stellenwert werden Kryptowährungen haben?
- Wie geht man mit dem Konflikt „freie Software vs. Große US-Unternehmen“ um?
oder mit der Abneigung gegen Internet-Giganten, obwohl man deren Produkte tagtäglich nutzt? - …
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